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Unser San Martino

von Giancarlo Cavazza

Als wir uns 2003 entschlossen, unsere roten Trauben zu trocknen, hatten wir keinen Zweifel, wie wir den Wein daraus nennen sollten: San Martino!

Ein wichtiger Wein mit einem Namen von tiefgründiger Bedeutung, ebenso tiefdunkel die Farbe der Traube, aus der er gemacht ist, Merlot.

Die Überlieferung besagt, dass Martino, ein Soldat des Römischen Reichs mit seinem Reitumhang an einem regnerischen und kalten Tag, dem 11. November 335, im Galopp zu Pferde auf einen alten frierenden und müden Mann trifft, der nur mit ein paar Lumpen bedeckt war. Martino erbarmt sich und schneidet seinen Umhang mit dem Schwert in zwei Hälften und teilt ihn mit dem alten Mann. Kurz darauf, als er glücklich über die wohltätige Geste weitergaloppiert, bricht die Sonne strahlend hervor und es steigt die Temperatur. Aus diesem Ereignis entstand der sogenannte Sommer von San Martino, eine Definition, die den schönen Tagen im November zugeschrieben wird.

Der 11. November ist ein wichtiger Tag in der Welt der bäuerlichen Tradition. In der Landwirtschaft erfolgt die Zeitrechnung nicht nach dem Kalenderjahr, das im Dezember endet. Es ist der November, der den Abschluss bildet. Der Monat, in dem man Bilanz zieht, Entscheidungen trifft und abrechnet. Bis zum November wurden alle Ernten eingefahren. Das im Sommer geerntete Getreide füllt bereits Speicher, Scheunen und Tennen. Die gelesenen Trauben sind bereits zu Wein geworden oder trocknen auf den Dachböden der Häuser: Man braucht sie, um den kalten Winter zu versüßen. Und die Oliven, die kleinen kostbaren Edelsteine, die zuletzt geerntet wurden, sind bereit, zu einem dichten und duftenden Öl verarbeitet zu werden.

Im November hat der Landwirt daher eine allgemeine Vorstellung davon, wie die Saison verlaufen ist. Er kennt die Preise der Pflanzen, den Wert seines Weins oder Öls. Der Pächter versteht, ob es der Mühe wert war oder nicht, dieses Stück Land zu bearbeiten: Lohnt es sich, meinen Pachtvertrag zu verlängern? Oder sollte ich besser woanders hingehen, wo der Boden fruchtbarer ist und bessere Früchte hervorbringt? Dies erklärt, warum im venezianischen Dialekt „fare San Martin“ (San Martin machen) heute immer noch die Bedeutung von Umzug, den Wechsel des Wohnorts hat. Es kommt genau daher, dass der Pächter, der mit der Ernte unzufrieden war, im November beschließt auf ein anderes Grundstück „umzuziehen“.

Aber zurück zu uns, zu unserem Wein mit seinem kraftvoll strukturierten Körper, zu unserem Merlot-Passito, der nach eingelegten Kirschen riecht, nach Weichselkirschen und Johannisbeeren. Die Trauben, die Mitte September auf der Tenuta Cicogna von Hand geerntet wurden, können nach zweimonatigem Trocknen in Holzkisten am Martinstag entrappt und gepresst werden. Auf die Fermentation folgt eine Reifezeit von 18 Monaten im Barrique, in der sich die bereits mürben und seidigen Tannine perfekt in den gesamten Fassinhalt einfügen.

Und wie es Tradition ist, schließt der 11. November das Jahr des Bauern ab, so wie der San Martino euer Dinner elegant beendet. Seine Süße wird so nachhaltig sein, dass er euch in die Arme von Morpheus begleiten wird. Süße Nacht!

Mein Tipp: Ein Wein mit einer großen emotionalen Suggestion, kann ganz für sich allein als Meditationswein genossen werden oder am Ende einer Mahlzeit zu reifem Käse oder, warum nicht, zu einem Stück 80%iger Zartbitterschokolade. Doch warum überrascht ihr eure Gäste nicht, indem ihr ihn zum wahren Star des Abendessens macht? Zu geschmortem Fleisch oder zu Wild wird er sein Beste geben.

Giancarlo Cavazza

SAN MARTINO CICOGNA

Rosso Passito Veneto IGT

Merlot 100%

“Cicogna” dieses einzigartige Fleckchen Erde, steht für ein ehrgeiziges Weinbauprojekt höchster Qualität seit nunmehr 30 Jahren. Einzelne Reihen in Guyot-Reberziehung, Reifung in französischen Barriques, Extrakt aus Terroir und unserer fast einhundert Jahre währenden Weinbauerfahrung.

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